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2. Juni 2023
Antwort des MIZ zur Stellungnahme
Das Musikinformationszentrum hat auf unsere Stellungnahme zur Berufsmusikstudie vom 12.05.2023 reagiert. Wir veröffentlichen das Antwortschreiben an dieser Stelle mit Genehmigung des MIZ.
Sehr geehrter Herr Borutzki,
sehr geehrte Mitglieder des Vorstands,
für Ihr Interesse und Ihre Wertschätzung der Studie Professionelles Musizieren in Deutschland des Deutschen Musikinformationszentrums (miz) bedanken wir uns. Bezugnehmend auf Ihre öffentliche Stellungnahme vom 12. Mai, die wir über die Social Media zur Kenntnis genommen haben, möchten wir wie angekündigt nochmals auf Sie zukommen und nach Rücksprache mit den Studienverantwortlichen im Institut für Demoskopie Allensbach im Folgenden näher auf Ihre Kommentare und Anmerkungen eingehen.
Methodik und Zusammensetzung der Stichprobe
Sofern die Zusammensetzung von Stichproben in unterschiedlichen Studien voneinander abweicht, ist es nicht überraschend, dass die Ergebnisse, die auf Basis dieser Stichproben gewonnen werden, ebenfalls voneinander abweichen. Ausgangspunkt für die Erarbeitung der Methodik der miz-Studie war die Beobachtung, dass in bisher vorliegenden Studien – wie in der Jazzstudie oder in den NRW-Studien von Heiner Barz – auf Online-Befragungen gesetzt wurde. Die Wahl einer Online-Befragung ist wohl begründet, beispielsweise wenn die Ziehung einer Zufallsstichprobe aus einer definierten Grundgesamtheit nicht möglich ist. Mit einer durch eine Online-Befragung gewonnenen Gelegenheitsstichprobe ist allerdings eine wesentliche Voraussetzung für Repräsentativität nicht gegeben: die Zufallsauswahl, bei der jedes Mitglied der Grundgesamtheit die Möglichkeit hat, befragt zu werden. Ziel der miz-Studie war es, eine größtmögliche Repräsentativität zu gewährleisten. Wie dies erreicht wurde und welche Herausforderungen dabei zu bewältigen waren, ist in den Vorbemerkungen der miz-Studie detailliert dargelegt (vgl. Seite 3 ff.).
Einkommensvergleiche
Basis der Einkommensdaten der Künstlersozialkasse (KSK) ist keine Stichprobe, sondern eine Vollerhebung auf Basis des vollständigen Versichertenbestands der Sparte Musik. Kriterium ist hier u. a. das Vorliegen einer künstlerischen Haupttätigkeit, während die miz-Studie explizit auch Berufsmusiker*innen mit künstlerischer Nebentätigkeit in die Grundgesamtheit einschließt. Auch unterscheidet sich die Abfrage des Einkommens zwischen der miz-Studie und der KSK: Die KSK ermittelt das für das Jahr prognostizierte Arbeitseinkommen (Betriebseinnahmen minus Betriebsausgaben, vor Steuern) der Versicherten, das zur Ermittlung des individuellen Beitragssatzes herangezogen wird. In der miz-Studie dagegen wurden Netto-Einkommensklassen abgefragt, was, wie die jahrzehntelange Erfahrung des Instituts für Demoskopie Allensbach zeigt, die sinnvollste Methode ist, wenn gleichzeitig sowohl Angestellte wie auch Selbstständige befragt werden. Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass Einkünfte aus nicht-musikalischen Tätigkeiten bei der KSK unberücksichtigt bleiben – genau diese aber waren in der Konzeption der miz-Studie ausschlaggebend. Die genannten methodischen Unterschiede erlauben damit keinen direkten Vergleich der Daten.
Ebenfalls weisen wir darauf hin, dass die miz-Studie abweichend zur Jazzstudie alle musikalischen Genres berücksichtigt, und dass die Studien von Barz auch ausschließlich in der Musikpädagogik tätige Musiker*innen mit in den Fokus nahm – diese gehörten in der miz-Studie nicht zur Grundgesamtheit. Allgemein lässt sich aus den KSK-Daten schließen, dass Freiberufler*innen im Jazz und in der Musikpädagogik vergleichsweise niedrigere Einkünfte erzielen. Mit Blick auf die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die erhobenen Einkünfte müssen überdies unterschiedliche Zeitpunkte der Erhebungen mitberücksichtigt werden. Insbesondere Barz und die von Ihnen genannten KSK-Daten für das Jahr 2022 fallen in die Pandemie. Aktuellere Daten der KSK für das Jahr 2023 wurden übrigens kürzlich auf miz.org veröffentlicht.
Wirkung der Studie
Sie weisen in Ihrer Stellungnahme darauf hin, dass wenn freie Musiker*innen im Durchschnitt immerhin 80 Prozent des Einkommens von Musiker*innen in Anstellungsverhältnissen erzielten, dies den Anschein erwecken könne, dass sie sich größtenteils nicht in prekären Situationen befänden und kein akuter politischer Handlungsbedarf bestehe. Dazu möchten wir abschließend betonen, dass die Einkommenssituationen sowohl in der Studie selbst (einschl. der Zusammenfassung) wie auch in der Öffentlichkeitsarbeit differenziert beschrieben wurden. So ist der deutliche Einkommensunterschied zwischen Angestellten und Freiberufler*innen als zentrales Ergebnis der Studie hervorgehoben und dabei explizit herausgestellt worden, dass das Einkommen insbesondere bei freiberuflich tätigen Musiker*innen in höheren Anteilen aus nicht-musikalischen Tätigkeiten stammt. Die miz-Studie und ebenso auch die begleitende Öffentlichkeitsarbeit haben deutlich gemacht, dass die soziale Spreizung groß ist und dass ein Fünftel der Berufsmusizierenden weniger als 1.500 Euro persönliches monatliches Nettoeinkommen zur Verfügung haben. Damit hat das miz den Fokus bewusst auch auf die prekären Fälle gelenkt – obwohl gleichzeitig gesagt werden müsste, dass am anderen Ende der Einkommensskala ein weiteres Fünftel aller Berufsmusizierenden besonders hohe Nettoeinkünfte von 3.500 Euro und mehr erzielt. Die Medienberichterstattung hat die Ergebnisse der miz-Studie ganz in diesem Sinne wiedergegeben, nämlich dass viele Musiker*innen, insbesondere die freiberuflich Tätigen, in prekären Verhältnissen arbeiten und nur die wenigsten ausschließlich von der Musik allein leben können, vgl. ZDF, FAZ, BR-Klassik u. a.
Die Ergebnisse der Studie, die sicherlich in mancherlei Hinsicht überraschen mögen und sich ggf. nicht mit allen Erfahrungsrealitäten decken, wurden damit aus unserer Sicht sowohl in der Studie selbst wie auch in der begleitenden Kommunikation mit der nötigen Differenzierung vermittelt. Wir hoffen, dass Ihnen diese Informationen bei der Einordnung der Studienergebnisse helfen und Ihre Fragen beantworten.
Mit freundlichen Grüßen
Stephan Schulmeistrat, Leitung miz
Timo Varelmann, Referent für Statistik miz