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12. Oktober 2015

"Freiwillige" Arbeitslosenversicherung endet nicht wegen Krankheit

Die Bundesagentur für Arbeit darf eine Selbstständige nicht allein deshalb aus der freiwilligen Arbeitslosenversicherung schmeißen, weil sie wegen einer schweren Erkrankung arbeitsunfähig ist. Aktuelle Anfragen bei mediafon geben Anlass, noch einmal auf ein schon zwei Jahre altes Urteil des Bundessozialgerichts hinzuweisen, das diese Frage abschließend geklärt hat.

Ein “Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag” (so heißt die “freiwillige Arbeitslosenversicherung für Selbstständige” offiziell) können nach § 28a des Sozialgesetzbuches 3 “Personen begründen, die . . . eine selbständige Tätigkeit mit einem Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich aufnehmen und ausüben . . .” Klingt eindeutig, dachte sich die Agentur für Arbeit in Magdeburg und fackelte nicht lange, als die Inhaberin eines Einzelhandelsgeschäfts, die auf dieser Grundlage freiwillig arbeitslosenversichert war, ihr mitteilte, sie habe am 30.10.2006 einen Schlaganfall erlitten und sei deshalb bis zum 31.3.2007 arbeitsunfähig krank gewesen: Obwohl sie ihre Beiträge weiter bezahlt hatte, hob die Arbeitsagentur ihren Bescheid vom Mai desselben Jahres über das “Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag” auf und erklärte das Versicherungsverhältnis rückwirkend vom Tag des Schlaganfalls an für beendet. Begründung: Die Kauffrau habe ihre selbstständige Tätigkeit nicht mehr “mindestens 15 Stunden in der Woche” ausgeübt. Dass der Laden in dieser Zeit von ihren Angestellten weiter geführt wurde, interessierte die Agentur nicht, und sie war sich ihrer Sache so sicher, dass sie sich gegen die Klage der Kauffrau bis zum Bundessozialgericht (BSG) hinauf wehrte.

Freilich ohne Erfolg. Denn das BSG bestätigte in seinem Urteil B 12 AL 1/12 R vom 4.9.2013, was schon das Sozialgericht Magdeburg und das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt entschieden hatten: Solange“keine anderweitigen Anhaltspunkte für eine (krankheitsunabhängige) endgültige Aufgabe der selbstständigen Tätigkeit bestehen”, ziehe “eine (rein) krankheitsbedingte Nichtausübung der selbstständigen Tätigkeit” keineswegs automatisch das Ende der freiwilligen Arbeitslosenversicherung nach sich. Um zu dieser vernünftigen Entscheidung zu kommen, musste das Gericht freilich ein wenig Wortklauberei betreiben, zumal die Arbeitsagentur auch noch das Argument nachgeschoben hatte, die Kauffrau sei während ihrer Krankheit ja schon als Bezieherin von Krankengeld und während eines Reha-Aufenthalts von Unterhaltsgeld pflichtversichert gewesen, und nach § 28a Abs. 2 schließe eine anderweitige Versicherungspflicht eine “Versicherungspflicht auf Antrag” aus.

Das Gericht stellte nämlich bei genauem Lesen fest, dass in diesem Paragraphen in Absatz 1 und 2 die Voraussetzungen für die Begründung eines Versicherungspflichtverhältnisses definiert seien, und in Absatz 5 noch einmal extra die Bedingungen für seine Beendigung. Und beide Definitionen seien keineswegs deckungsgleich. Wenn also die Bedingungen für den Beginn der freiwilligen Versicherung, nämlich 15 Stunden selbstständige Tätigkeit pro Woche, irgendwann nicht mehr erfüllt seien, so stehe im Gesetz nicht, dass damit auch die Versicherungspflicht beendet sei. Letzteres gelte nur dann, “wenn Anhaltspunkte für eine willensgetragene, dauerhafte Aufgabe der selbstständigen Tätigkeit vorliegen”, etwa ein Verkauf des Unternehmens, ein Inhaberwechsel oder eine Gewerbeabmeldung, und somit Indizien dafür, dass die selbstständige Tätigkeit “nicht mehr Grundlage für die Sicherung der wirtschaftlichen Existenz des Versicherten sein sollte”.

Wer also in eine so schwierige Situation gerät, in der eine Erkrankung die gesamte Existenz in Frage stellt, braucht sich nicht von der Arbeitsagentur noch zusätzlich quälen zu lassen: Solange er vorhat, wieder gesund zu werden und die selbstständige Tätigkeit dann wieder auszuüben, darf die Arbeitsagentur ihn nicht aus der freiwilligen Arbeitslosenversicherung heraus schmeißen.

Quelle: http://www.mediafon.net/meldung_volltext.php3?id=55ec9603b4dbb&akt=news_versicherungen (06.09.2015)

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