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21. Mai 2020

Aktuelle Studie der Universität der Bundeswehr München zum Musizieren während der Pandemie

Erforscht wurden Infektionsrisiken beim Chorsingen und Musizieren mit Blasinstrumenten, wobei die sich daraus ergebenden wissenschaftlichen Erkenntnisse Hoffnung auf Möglichkeiten eines gemeinsamen Musizierens in Pandemie-Zeiten machen.

 

 

MUSIZIEREN WÄHREND DER PANDEMIE - WAS RÄT DIE WISSENSCHAFT?

Quelle: Universität der Bundeswehr München, Beitrag von Prof. Christian J. Kähler, Institut für Strömungsmechanik und Aerodynamik und seinem wissenschaftlichen Mitarbeiter Dr. Rainer Hain über Infektionsrisiken beim Chorsingen und Musizieren mit Blasinstrumenten vom 8. Mai 2020


Singen und Musizieren sind wundervolle Beschäftigungen, die viele Menschen erfreuen, aber wann und unter welchen Umständen darf der kulturelle Betrieb wiederaufgenommen werden?

Fakt ist, dass das Tragen von Atemschutzmasken beim Singen und Musizieren mit Blasinstrumenten nicht möglich ist. Der Schutz vor einer Tröpfcheninfektion muss daher über Sicherheitsabstände erfolgen. Solange aber keine verlässlichen Informationen darüber vorliegen, wie stark Sängerinnen und Sänger oder Bläser im Falle einer Infektion die Viren in ihrer Umgebung verteilen und welchen Einfluss Raumluftströmungen bei dem Transport der Viren spielen, können auch Abstandsregeln nicht sinnvoll festgelegt werden.

Luft wird beim Singen nur im Bereich bis 0,5 m vor dem Mund in Bewegung versetzt

Prof. Christian Kähler und Dr. Rainer Hain haben zur Klärung der Fragen Experimente mit einer professionellen Sängerin und Gesangsdozentin vom Mozarteum in Salzburg und Berufsmusikern vom Orchester des Staatstheaters am Gärtnerplatz in München durchgeführt. Das Ziel der Untersuchung bestand darin, sowohl die spuckartige (ballistische) Ausbreitung von größeren Tröpfchen als auch die strömungsbedingte Ausbreitung von kleinen Tröpfchen (Aerosol) beim Musizieren zu ermitteln. Die Experimente zeigen eindeutig, dass die Luft beim Singen nur im Bereich bis 0,5 m vor dem Mund in Bewegung versetzt wird, unabhängig davon wie laut der Ton war und welche Tonhöhe gesungen wurde. Eine Virusausbreitung über die beim Singen erzeugte Luftströmung ist daher über diese Grenze hinaus äußerst unwahrscheinlich. Die geringe Ausbreitung der Luftbewegung ist laut Prof. Kähler nicht verwunderlich, denn beim Singen wird ja kein großes Luftvolumen stoßartig ausgestoßen wie etwa beim Niesen, Husten oder Pusten. Vielmehr besteht die Kunst des Singens darin, möglichst wenig Luft zu bewegen und trotzdem einen schönen und kräftigen Klang zu erzeugen. In einem Chor oder in der Kirche sollte trotzdem ein Sicherheitsabstand von mindestens 1,5 m eingehalten werden, um sich auch dann wirksam vor einer Tröpfcheninfektion zu schützen, wenn ungeschützt gehustet wird. Darüber hinaus ist eine versetzte Aufstellung der Sängerinnen und Sänger immer dann empfehlenswert, wenn der Chor aus mehreren Reihen besteht. Diese Anordnung wird auch den Gottesdienstteilnehmenden empfohlen. Wenn die Konzerte und Kirchen gut besucht sind und die Abstände nicht mehr eingehalten werden können, dann helfen nur Atemschutzmasken als Eigen- und Fremdschutz.

Gute und richtige Belüftung ist besonders wichtig

Neben der Einhaltung der Abstandsregeln und Aufstellungsempfehlungen ist es auch sehr wichtig, für eine gute und richtige Belüftung in den Probenräumen zu sorgen, um die Gefahr einer Infizierung durch langsame Raumluftströmungen zu minimieren. Um dies zu gewährleisten, sollte einerseits die Luftwechselrate in Zeiten der Pandemie deutlich erhöht werden, andererseits sollte bei einer idealen Raumbelüftung die Luft von unten durch den Boden zugeführt und flächig über die Decke abgesaugt werden. Ventilatoren sind im Proberaum nicht zu empfehlen, wenn sie die Luft mit geringer Geschwindigkeit (kleiner als 0,3 m/s) von Person zu Person befördern. Wichtig ist auch die Größe der Räume. Für einen sicheren Musikbetrieb sind daher neben den Abstands- und Aufstellungsregeln auch die Klimatisierung und die Raumgröße wichtig.

Empfehlung: Versetzte Aufstellung der Musizierenden inkl. Sicherheitsabstand

Bei den Experimenten mit einer Trompete, einer Posaune und einem Euphonium konnte festgestellt werden, dass der in Bewegung versetzte Luftbereich vor den Instrumenten umso größer ist, je kleiner der Schalltrichter des Instruments, je tiefer der Ton und je stoßartiger die Tonfolge ist. Insgesamt ist der in Bewegung versetzte Bereich aber auch in diesem Fall kleiner als 0,5 m. Auch diese Ergebnisse sind strömungsmechanisch verständlich. Der eigentliche Ton wird bei Blechblasinstrumenten dadurch erzeugt, dass die leicht vorgespannten und durchströmten Lippen zu Schwingungen angeregt werden. Genauso wie beim Singen besteht auch bei den Blechbläsern das Ziel nicht darin, möglichst viel Luft in kurzer Zeit auszublasen, wie beim Husten und Niesen, sondern möglichst entspannt die Lippen entsprechend der gewünschte Tonhöhe schwingen zu lassen. Von den Forschern wird aber trotzdem empfohlen, einen Sicherheitsabstand von 1,5 m einzuhalten und eine versetzte Aufstellung der Musizierenden zu arrangieren, um sich vor einer Infektion durch Husten zu schützen.

Lang andauernde Töne können zu Strömungsbewegungen im Bereich über 1m führen

Mit einer Klarinette, einer Oboe und einem Fagott können größere Strömungsbewegungen erzeugt werden als mit den untersuchten Blechblasinstrumenten. Gerade tiefe und lang andauernde Töne können zu Strömungsbewegungen im Bereich über 1 m führen. Eine noch größere Reichweite konnte mit einer Querflöte bei langen, tiefen Tönen erreicht werden. Bei diesem Instrument wird die Luft mit leicht geöffnetem Mund schnell über die gewölbte Mundlochplatte mit dem eigentlichen Anblasloch geblasen und tritt dann nahezu ungebremst in den Raum hinein. Aus Arbeitsschutzgesichtspunkten sind daher Maßnahmen zur Eindämmung der Luft- und Tröpfchenausbreitung unbedingt erforderlich - aber wie soll das funktionieren?

Um den ballistischen Speichelausstoß und die Strömungsbewegungen wirkungsvoll zu begrenzen, ist es sinnvoll, ein sehr dünnes und dicht gewebtes Tuch vor der Öffnung der Instrumente zu befestigen. Gut geeignet ist auch ein dichter Ploppschutz wie er vor Studiomikrofonen verwendet wird. Die ballistisch fliegenden Tröpfchen sind recht groß und können mit diesen einfachen Schutzvorkehrungen wirksam abgefangen werden. Die Ausbreitung des Aerosols wird ebenfalls effektiv behindert, da die Ausbreitung der ausgeatmeten Luft wie bei einem Mund-Nase-Schutz unterbunden wird. Befindet sich der Schutz 20 cm vor dem Schalltrichter des Instruments (Trompete, Klarinette, Oboe, Fagott) oder dem Anblasloch der Flöte, so wird das Klangerlebnis nicht beeinträchtigt.

Virenlast steigt deutlich an, wenn der Abstand zu einer infizierten Person verringert wird

Das Musizieren im Freien kann bei Befolgung der Abstands- und Aufstellungsregeln als weitgehend sicher angesehen werden, es sei denn, es herrscht ein leichter und gleichmäßiger Seitenwind, der die kontaminierte Luft über eine größere Entfernung transportiert, ohne dass eine Reduzierung der Virenlast durch Turbulenzen oder eine starke Dehnung der Tröpfchenwolke nach dem Ausatmen stattfindet. Es gibt aber noch einen weiteren sehr wichtigen Punkt, der zu beachten ist. Wenn die Musik im Biergarten oder einem Festzelt eher im Hintergrund spielt, um eine gemütliche Atmosphäre zu schaffen, sollte die Musik nicht zu laut sein. Laute Musik bewirkt, dass diejenigen Menschen, die sich gerne unterhalten wollen, sehr laut reden und sich zusätzlich annähern. Beides ist bei der drohenden Gefahr einer Tröpfcheninfektion fatal, denn die Anzahl und Größe der Tröpfchen, die beim Sprechen entstehen, nimmt mit der Lautstärke stark zu. Darüber hinaus steigt die Virenlast deutlich an, wenn der Abstand zu einer infizierten Person verringert wird. Daher müssen die Veranstalter nicht nur die Sicherheit der Musikerinnen und Musiker im Blick haben, sondern sie müssen auch die Sicherheit des Publikums mit einbeziehen. Hier zählen nicht nur Abstände, Aufstellung, Klimatisierung und Raumgröße, sondern auch das Verhalten der Menschen bei lauter Musik. Geselliges feiern z.B. im Rahmen von Karneval oder dem Oktoberfest, aber auch in Diskotheken und Skibars ist im Hinblick auf die laute Musik als kritisch einzustufen. Aber auch die Musikanten auf Festen sollten sich bis zum Ende der Pandemie in der Lautstärke mäßigen, um die Menschen nicht zu einem riskantem Verhalten zu veranlassen.

Hier können Sie den Beitrag als PDF abrufen.

Unter diesem Link finden Sie den Originalbeitrag auf der Website der Universität der Bundeswehr München:
https://www.unibw.de/home/news-rund-um-corona/musizieren-waehrend-der-pandemie-was-raet-die-wissenschaft

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