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30. Juni 2013

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser | Olaf Zimmermann zu den Entwicklungen bei der Künstlersozialversicherung

Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, beschreibt in diesem Beitrag, der zuerst in der Zeitung "Politik und Kultur" in der Ausgabe Juli/August 2013 erschienen ist, die Entwicklungen bei der Künstlersozialabgabe seit 1999.

V ertrauen ist gut, Kontrolle ist besser, diese Lenin nachgesagte Redewendung ist gerade mit Blick auf die Künstlersozialversicherung von großer Bedeutung. Diejenigen, die sich schon länger mit dem Thema befassen, können es schon kaum noch hören oder lesen: Immer wieder ist der Appell notwendig, dass zur Sicherung und Stabilisierung der Künstlersozialversicherung sowie mit Blick auf die Beitragsgerechtigkeit eine möglichst umfassende Erfassung aller Abgabepflichtigen unerlässlich ist.

In unterschiedlichen Wellen mussten sich die verschiedenen Bundesregierungen in den letzten Jahrzehnten mit dem Thema befassen. Als im Jahr 1999 im Rahmen des Haushaltsbereinigungsgesetzes von der rot-grünen Bundesregierung der Bundeszuschuss zur Künstlersozialversicherung von 25 auf 20 Prozent gekürzt und damit der Abgabesatz für die abgabepflichtigen Unternehmen erhöht wurde, gab es eine breite Debatte, wie die Unternehmen besser erfasst werden könnten. Im Deutschen Kulturrat wurde überlegt, ob mit Hilfe einer Amnestieregelung die Unternehmen, die bislang ihrer Zahlungspflicht noch nicht nachgekommen sind, von der Nachzahlung für die letzten fünf Jahre befreit werden sollten, wenn sie sich freiwillig melden. Nicht zuletzt bei denjenigen, die bereits seit vielen Jahren ihrer Zahlungsverpflichtung nachkommen, stieß eine solche Idee auf wenig positive Resonanz. Es wurde dann der Bundesregierung der Vorschlag gemacht, dass der Abgabesatz auf einen stabilen Beitrag festgelegt wird und der Bundeszuschuss schwankt. Damit wurde sich erhofft, dass der Bund einen Anreiz verspürt, mehr Abgabepflichtige zu erfassen, da so sein Bundeszuschuss sinken könnte. Dieser Vorschlag stieß leider bei der Bundesregierung auf wenig Gegenliebe.
Es waren dann über mehrere Jahre deutlich schwankende Abgabesätze zu beobachten, bis schließlich im Jahr 2005 ein Wert von 5,8 Prozent Künstlersozialabgabe auf die an freiberufliche Künstler und Publizisten gezahlten Honorare erreicht wurde. Den Vertretern von Verwerterverbänden platzte daraufhin der Kragen und das gesamte System der Künstlersozialversicherung wurde in Frage gestellt. Der Deutsche Kulturrat berief zusammen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales einen Runden Tisch Künstlersozialversicherung ein, an dem gemeinsam nach Lösungsmöglichkeiten zur Stabilisierung der Künstlersozialversicherung gesucht wurde.

Dabei wurde davon ausgegangen, dass die Zahl der versicherten Künstler angesichts der Entwicklung in den Kulturberufen weiter steigen wird. Denn bereits seit einigen Jahren ist zu beo­b­achten, dass die freiberufliche Tätigkeit im Kultur- und Mediensektor fortlaufend an Bedeutung gewinnt. D.h. die Zahl der freiberuflichen Künstler und Publizisten wächst und damit auch die Zahl der Versicherten in der Künstlersozialversicherung. Zugleich nehmen aber auch mehr Unternehmen, Vereine und öffentliche Verwaltungen die Leistungen dieser Künstler in Anspruch. Es liegt daher auf der Hand, dass auch die Zahl der abgabepflichtigen Unternehmen oder zumindest die von ihnen gemeldeten Honorarsummen wachsen müssten.

Am Runden Tisch Künstlersozialversicherung wurde schließlich die Idee entwickelt, der Deutschen Rentenversicherung die Aufgabe zu übertragen, die Künstlersozialabgabepflicht bei den Unternehmen zu prüfen. Diese Idee wurde von der Bundesregierung mit dem »Dritten Gesetz zur Änderung des Künstlersozialversicherungsgesetzes und anderer Gesetze« aufgegriffen und im Jahr 2007 umgesetzt. Der federführende Ausschuss für Arbeit und Soziales des Deutschen Bundestags begründete seine Zustimmung zu dieser Änderung damals folgendermaßen: »Die Prüfung der Arbeitgeber im Hinblick auf die Erfüllung der Melde- und Abgabepflichten nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz wird auf die Prüfdienste der Deutschen Rentenversicherung im Rahmen der turnusmäßigen Prüfung aller Arbeitgeber nach § 28p des Vierten Buches Sozialgesetzbuch übertragen. Dadurch wird mittelfristig die nahezu vollständige Erfassung der abgabepflichtigen Arbeitgeber erreicht werden können. Die Bemessung der Künstlersozialabgabe wird somit auf eine breitere Grundlage gestellt und damit Abgabegerechtigkeit hergestellt. Der Künstlersozialabgabesatz wird stabilisiert.« (Bundestagsdrucksache 16/4648) In ihren Einzelvoten heben die Bundestagsfraktionen auf die erforderliche Beitragsgerechtigkeit zur Akzeptanz der Künstlersozialversicherung übereinstimmend ab.

Nach Inkrafttreten der Gesetzesnovelle aus dem Jahr 2007 hat sich die Deutsche Rentenversicherung in enger Absprache mit der Künstlersozialkasse zunächst darauf konzentriert, Unternehmen aus jenen Wirtschaftsbereichen auf ihre Abgabepflicht hin zu überprüfen, bei denen angenommen wurde, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Abgabepflicht vorliegt. Es konnte bei zahlreichen Unternehmen die Abgabepflicht neu festgestellt werden, so dass sich die Zahl der abgabepflichtigen Unternehmen fast verdreifachte. Zum 31.12.2006 waren 56.435 abgabepflichtige Unternehmen registriert und im Jahr 2012 waren es 153.270 Unternehmen. Allein diese Zahlen belegen, dass die stärkere Überprüfung von Unternehmen sich gelohnt hat. Nicht nur konnte der Abgabesatz für alle Abgabepflichtigen spürbar gesenkt werden, weil mehr Unternehmen ihrer Verpflichtung nachkommen, sondern vor allem wurde ein wesentlicher Beitrag zu mehr Beitragsgerechtigkeit geleistet. Gleichzeitig wurde eine Reihe von neuen Ausgleichsvereinigungen gegründet, die für die abgabepflichtigen Unternehmen den bürokratischen Aufwand sehr deutlich verringern. Die Übertragung der Prüfaufgabe an die Deutsche Rentenversicherung war also die richtige Entscheidung. Bereits in der genannten Beschlussempfehlung des Deutschen Bundestags wird sich auf die turnusgemäße Überprüfung der Arbeitgeber bezogen, die alle vier Jahre stattfinden soll. Bislang hat die Deutsche Rentenversicherung die Prüfung der Künstlersozialabgabepflicht in diese turnusgemäße Prüfung der Arbeitgeber nicht umgesetzt, sondern sich nach wie vor auf kleine spezielle Gruppen konzentriert. Das führt zum einen dazu, dass diejenigen, die als künstlersozialabgabepflichtig erfasst sind, keine Sorge vor einer Prüfung durch die deutsche Rentenversicherung haben müssen. Zum anderen wird es voraussichtlich noch Jahre bis Jahrzehnte dauern, bis die Deutsche Rentenversicherung alle Arbeitgeber in diesem vorgelegten Schneckentempo geprüft hat. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hatte daher vorgesehen, im Rahmen des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung »Entwurf eines Gesetzes zur Neuorganisation der bundesunmittelbaren Unfallkassen, zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und zur Änderung anderer Gesetze (BUK-Neuorganisationsgesetz – BUK-NOG)« (Bundestagsdrucksache 17/12297) klarzustellen, dass die Deutsche Rentenversicherung die Prüfung der Künstlersozialabgabepflicht im Rahmen der turnusgemäßen Prüfung der Arbeitgeber alle vier Jahre vornehmen muss.

Mit dieser Klarstellung sollte weder eine neue Abgabe noch eine neue Prüfverpflichtung geschaffen werden. Es ging lediglich darum, die bereits festgelegte turnusgemäße Prüfung durch den Vierjahresrhythmus zu präzisieren. Leider fand diese Präzisierung bei den Beratungen im Juni dieses Jahres im zuständigen Ausschuss für Arbeit und Soziales des Deutschen Bundestags keine Mehrheit, weil CDU/CSU und FDP gegen die Vorlage ihres eigenen Ministeriums stimmten. Es wurde von der Regierungskoalition vor einem zu großen bürokratischen Aufwand gewarnt und nebulös erklärt, die Künstlersozialversicherung weiter stärken zu wollen. Selbst im Kulturausschuss des Deutschen Bundestags stimmten die CDU/CSU-Fraktion und die FDP-Fraktion gegen diese Präzisierung. Nach diesen negativen Voten wurden die Änderungen, die die Künstlersozialversicherung betreffen, aus dem BUK-NOG noch vor der abschließenden Beratung in der zweiten und dritten Lesung im Deutschen Bundestag entfernt. Vorerst bleibt es daher dabei, dass die Unternehmen, die bei der Künstlersozialkasse gemeldet sind, nicht damit rechnen müssen, geprüft zu werden und die Unternehmen, die noch nicht erfasst wurden, sich das Risiko ausrechnen können, ob sie einmal in eine Stichprobenprüfung der Deutschen Rentenversicherung hereinrutschen werden. Beitragsgerechtigkeit sieht anders aus.

Es ist unglaublich, dass die absolut notwendige Anpassung der Künstlersozialgesetzgebung wird in dieser Legislaturperiode des Deutschen Bundestages nicht mehr vorgenommen wird. CDU/CSU und die FDP leisten zum Ende der Legislaturperiode den Künstlern und den Unternehmen der Kulturwirtschaft einen Bärendienst.

Bei der Künstlersozialabgabe handelt es sich um keine freiwillige Sonderabgabe, sondern um eine Pflichtversicherung im Rahmen des gesetzlichen Sozialversicherungssystems. Die Abgabe ist seit Jahrzehnten gesetzlich verankert, die Kontrolle, ob dieser Abgabepflicht nachgekommen wird, wird allerdings sehr lax gehandhabt. Den Schaden durch daraus folgende höhere Abgabesätze haben die ehrlichen Unternehmen, die ihre Abgabepflicht nachkommen, zu tragen.

Olaf Zimmermann ist Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates

Quelle: http://www.kulturrat.de/detail.php?detail=2581&rubrik=5

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