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25. August 2012

Reaktion auf die Darstellung des Bundesfinanzministeriums

Auf die Unruhe, die die verschiedenen Aktionen zur geplanten Umsatzsteuerregelung hervorgerufen haben, gibt es nun beschwichtigende Meldungen aus dem Bundesfinanzministerium. Lesen Sie dazu hier die Argumentation von RA Hans-Jürgen Werner, Bonn.

RA Werner schreibt dazu:

“Als Petent kann ich nur warnen, dass sich die Abgeordneten in dieser Phase beruhigen. Wenn bei einer umfangreichen Gesetzesreform im Nachgang Fallbeispiele gebildet werden müssen, um dem Rechtsanwender die Auslegung des Gesetzes näher zu bringen, ist folgender Grundsatz in Erinnerung zu rufen: Richtlinien und Erlasse setzten kein Recht. Sie sind zu gegebener Zeit von den Gerichten auf ihre Rechtmäßigkeit zu prüfen!

Die Unterscheidung zwischen Bildungsleistung im Sinne des Schulrechts lässt sich weder aus dem Wortlaut des geplanten § 4 Nr. 21 UStG entnehmen, noch aus den Gründen des Regierungsentwurfs selbst!

Um Ihnen die juristische Zusammenfassung der Problematiken in der „Umlaufpetition“ zu ersparen, möchte ich an dieser Stelle die Vorschrift nebst Unionsvorgaben und die Begründung im Regierungsentwurf zitieren und kommentieren:

„§ 4 soll wie folgt geändert reformiert werden:

„b) Die Nummern 21 und 22 werden wie folgt gefasst:

21.
Steuerfrei sind: Satz 1: Schul- und Hochschulunterricht, Aus- und Fortbildung sowie berufliche Umschulung (Bildungsleistungen) und damit eng verbundene Lieferungen und sonstige Leistungen durch – Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, – Ersatzschulen, die gemäß Artikel 7 Absatz 4 des Grundgesetzes staatlich genehmigt oder nach Landesrecht erlaubt sind, und – andere Einrichtungen mit vergleichbarer Zielsetzung (private Musikinstitute, Musikschulen, Ballett- bzw. künstlerische Tanzschulen, Schwimmschulen) sowie – Bildungsleistungen von Privatlehrern.

Satz 2:
Eine vergleichbare Zielsetzung ist gegeben, wenn die Leistungen der Einrichtung geeignet sind, dem Teilnehmer spezielle Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln.

Kommentar RA. Werner: Dies entspricht in der Aktualität den Voraussetzungen, die eine Einrichtung gemäß § 4 Nr. 21 a) bb) UStG erfüllen muss, um vom Finanzamt als berufsbildende Einrichtung anerkannt zu werden. Dies ist bei den in Rede stehen Schulen der Fall, die über eine Bescheinigung der Landesbehörde nach § 4 Nr. 21 a) bb) UStG verfügen!

Satz 3:

Nicht befreit sind Leistungen, die der reinen Freizeitgestaltung dienen.

Kommentar RA. Werner: Dies ist auch geltendes Recht, vgl. Umsatzsteueranwendungserlass Abschnitt 4. Nr. 21 i. d. F. v. 2.4.2012, neu eingefügt Absätze 7 und 8.

Satz 4:

Erbringt eine andere Einrichtung mit vergleichbarer Zielsetzung Leistungen im Sinne des Satzes 1, die auch der Freizeitgestaltung dienen können, sind diese nur dann befreit, wenn die Einrichtung keine systematische Gewinnerzielung anstrebt und etwaige Gewinne, die trotzdem anfallen, nicht entnommen, sondern zur Erhaltung oder Verbesserung der erbrachten Leistungen verwendet werden;

Kommentar RA. Werner: Das ist für die privaten Einrichtungen eine Umkehrung der seit 2.4.2012 offiziellen Rechtslage, wie sie sich auch aus dem Umsatzsteueranwendungserlass in der Fassung vom 2.4.2012 wiederfindet. Freizeitveranstaltungen, die auch Schul- oder Hochschulunterricht, Aus- und Fortbildung sowie berufliche Umschulung sind, sind steuerfrei, unabhängig davon ob ein Unternehmer systematische Gewinnerzielungsabsicht hat oder nicht. Sie haben kein Recht zu Vorsteuerabzug!

… und jetzt zur Begründung der Gesetzesreform:

„Leistungen, die nicht der reinen Freizeitgestaltung dienen, aber neben der Vermittlung von Bildung auch der Freizeitgestaltung dienen können, sind grundsätzlich umsatzsteuerfrei“.

Kommentar RA. Werner: Dies ist die Rechtslage für die privaten Einrichtungen aus Musik und Tanz seit 2.4.2012!

aber jetzt heißt es:

„Für Einrichtungen mit vergleichbarer Zielsetzung im Sinne des Satzes 1 (Alternative 3), mit Ausnahme von Ersatzschulen, gilt dies nach § 4 Nummer 21 Satz 4 UStG mit der Einschränkung, dass Bildungsleistungen, die nicht der reinen Freizeitgestaltung dienen, nur dann befreit sind, wenn die sie anbietende Einrichtung mit vergleichbarer Zielsetzung keine systematische Gewinnerzielung anstrebt und etwaige Gewinne, die trotzdem anfallen, nicht entnommen, sondern zur Erhaltung oder Verbesserung der erbrachten Leistungen verwendet werden.“

Kommentar RA. Werner: Unabhängig davon, ob die Unternehmer dieser Einrichtungen – i. d. Regel Einzelunternehmer oder Gesellschaften bürgerlichen Rechts – Gewinne oder Verluste machen, handelt es sich per Definition um Einrichtungen mit systematisch angestrebter Gewinnerzielung!!!

*Nach hiesigem Verständnis folgt aus der Verwendung des Begriffs Bildungsleistung, dass damit gemäß der unionsrechtlichen Vorgaben Schul- und Hochschulunterricht, Aus- und Fortbildung sowie berufliche Umschulung gemeint sind; dieses Verständnis folgt auch aus der Verwendung des Begriffs „Bildungsleistung“ in der Klammer des beabsichtigten Satzes.
Mit anderen Worten: Für Schul- und Hochschulunterricht, Aus- und Fortbildung sowie berufliche Umschulung, die auch der Freizeitgestaltung dienen können, folgt aus Satz 4 für die in Rede stehenden Einrichtungen mit vergleichbarer Zielsetzung die uneingeschränkte Steuerpflicht!*

Die von der Sprecherin des BMF verlautbarte Gesetzesinterpretation lässt sich aus dem Wortlaut des Gesetzes nicht entnehmen und insbesondere auch nicht aus der offiziellen Begründung:

„§ 4 Nummer 21 Satz 4 UStG erfasst z. B. den Unterricht in einer Ballett- oder Tanzschule, wenn die Betreiber dieser Schulen, sofern es sich dabei um andere Einrichtungen mit vergleichbarer Zielsetzung i. S. des § 4 Nummer 21 Satz 1 und 2 UStG handelt, Gewinne erzielen möchten.

Gleiches gilt z. B. für den Unterricht in einer Musik- oder Schwimmschule“.

Das BMF verweist beispielhaft auf die Leistungen von Tanzschulen an Erwachsene, welche die Steuerpflicht auslösen sollen. Erwachsen ist man mit Vollendung des 18. Lebensjahres. Mit welchem Recht sollen die Erlöse aus dem Unterricht an die Heranwachsenden steuerpflichtig sein? Häufig befinden sie sich gerade in der Vorbereitung zum Abitur oder sie haben es gerade abgeschlossen und bereiten sich jetzt besonders intensiv auf die Aufnahmeprüfung der Hochschule für Tanz und Musik vor.

Der Unterricht an ältere Erwachsene ist häufig inhaltlich und qualitativ so gestaltet, dass er tatsächlich für Zwecke der beruflichen Fortbildung oder Umschulung verwendet wird. Mit welchem Recht muss ein Erwachsener, der sich tatsächlich der Fortbildung unterzieht bzw. sich umschulen lässt, ein Unterrichtentgelt bezahlen, das mit Umsatzsteuer belastet ist, nur weil andere Erwachsene, die sich den anstrengenden Unterricht zu Freizeitzwecken zumuten, daran teilnehmen?

… und nun die [EU-] unionsrechtlichen Vorgaben:

Artikel 132 MwStSyst-RL-Richtlinie

(1) Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:

i) Erziehung von Kindern und Jugendlichen, Schul- und Hochschulunterricht,
Aus- und Fortbildung sowie berufliche Umschulung und damit eng verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, oder andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung;

Kommentar RA Werner: Das Finanzministerium geht davon aus, dass der Vorgabe „Erziehung von Kindern und Jugendlichen“ in § 4 Nr. 25 UStG Genüge getan worden ist. Deshalb fehlt bei der Reform die Einbeziehung dieser Bestimmung in der ersten Alternative des Buchstaben i).

Aktuell wird die Erfüllung dieses Merkmals „ andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung“ über die vorhandene Bescheinigung nach § 4 Nr. 21 UStG indiziert.

Unter dem Aspekt des Bürokratieabbaus und um Interesse der Rechtssicherheit weit rückwirkende Änderung der Steuerfestsetzungen zu vermeiden – hiesiges Spezialgebiet – wird das Bescheinigungsverfahren abgeschafft.

Es mag sein, dass aus der Sicht der Behörde ein Bürokratie Abbau stattfindet. Objektiv wird es aber so sein, dass die Aufgaben der Landesbehörden von der Finanzverwaltung zusätzlich übernommen werden müssen, die jetzt schon von Überlastungen der Mitarbeiter spricht. Es gehen –leger gesagt- 47 Jahre Erfahrung der Landesbehörden „flöten“!

… und jetzt zur unionsrechtlichen Kannbestimmung:

„Artikel 133 Die Mitgliedstaaten können die Gewährung der Befreiungen nach Artikel
132 Absatz 1 Buchstaben… i…. und für Einrichtungen, die keine Einrichtungen des öffentlichen Rechts sind, im Einzelfall von der Erfüllung einer oder mehrerer der folgenden Bedingungen abhängig machen:

a) Die betreffenden Einrichtungen dürfen keine systematische Gewinnerzielung anstreben; etwaige Gewinne, die trotzdem anfallen, dürfen nicht verteilt, sondern müssen zur Erhaltung oder Verbesserung der
erbrachten Leistungen verwendet werden.“

Kommentar RA. Werner: Siehe Petitionstext! Diese Einschränkung ist bei Privatlehrern nicht möglich. Unionsrechtlich findet er seine Grundlage in Art. 132 Abs. 1 Buchstabe j). Dieser Buchstabe ist in der ausschließlichen Aufzählung der Einschränkungsregelung des Art 132 Abs. 1 Buchstabe a) nicht aufgeführt.

Die Regelung beinhaltet – das ist in der Petition nicht vertieft – eine rechtliche Unmöglichkeit! Die Unternehmer (Musik + künstlerischer Tanz) sind entweder in der gesetzlichen Rentenversicherung unmittelbar oder über die Künstlersozialkasse pflichtversichert. Diese Aufwendungen werden in der Gewinnermittlung des Unternehmens nicht berücksichtigt. Sie spielen erst bei der Einkommensteuererklärung eine Rolle. Es sind also Entnahmen gesetzlich unabdingbar, die nicht der Erhaltung oder der Verbesserung der erbrachten Leistungen verwendet werden können.

Fazit: Die Erläuterungen der Sprecherin des BMF sind aus juristischer Sicht nicht geeignet, die eingetretenen Irritationen der betroffenen privaten Einrichtungen zu beruhigen. Im Gegenteil, die rechtlichen – auch verfassungsrechtlichen Bedenken -, wie sie in der „Petition“ zum Ausdruck kommen, werden untermauert, da die Einschränkungen des Satzes 4 beim Privatlehrer nicht zulässig sind.

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