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11. April 2022

Thesenpapier der bklm zur Situation der Lehrbeauftragten

Die Musikhochschullehre ist geprägt von einem jahrzehntelangen Missbrauch der Rechtsstellung der Lehrenden. Das aktuelle Thesenpapier der Bundeskonferenz der Lehrbeauftragten an Musikhochschulen informiert über die derzeitige Situation und leitet daraus Maßnahmen ab.

Die Situation der Lehre an Musikhochschulen ist geprägt von einem jahrzehntelangen Missbrauch der Rechtsstellung der Lehrenden: obwohl die Hochschulen als Körperschaften des öffentlichen Rechts verpflichtet sind die Aufgabe der Hochschullehre und des Studienangebots zu übernehmen, wurde in den letzten dreißig Jahren diese Hauptaufgabe teilweise zu mehr als der Hälfte in freie Vertragsverhältnisse ausgegliedert.

Hinzu kommt eine rechtliche Besonderheit, die es den Hochschulen erlaubt, den Schutz vor einer Scheinselbstständigkeit und somit einer sozialversicherungspflichtigen Anstellung auszuhebeln: die Hochschulen vergeben den Lehrauftrag als Verwaltungsakt, was in fast allen Hochschulgesetzen als “öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis eigener Art” beschrieben ist.

Die Folgen

  • Auf dem Rücken der oftmals freischaffend tätigen Lehrenden wurde das Studienangebot erweitert und in vielen Bereichen langjährig die grundständige Lehre mit diesen Lehrkräften abgedeckt.
  • Mit der Rechtsnatur des Lehrauftrags werden die Schutzmechanismen, die in solchen Rechtsgeschäften üblich sind, ausgehebelt, der Lehrauftrag entzieht sich als Verwaltungsakt der Gerichtsbarkeit im Sinne des SGB und der EU-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge.

Der Missbrauch der Rechtsnatur des Lehrauftrags kollidiert mit dem Grundgesetz,

  • weil ein Grundrecht aberkannt wird: ein Lehrbeauftragter kann i.d.R. vor keinem Arbeitsgericht seinRecht als die Person, die die Arbeit ausführt, einklagen (Art. 19 Abs. 3 GG)
  • weil Regierung und Hochschulen per Verwaltungsrecht ein Monopol auf die Honorargestaltung (Art. 9Abs. 3 GG) haben.
  • weil eine gewerkschaftliche Wirkungsmacht durch den Teilzeitcharakter und die langjährige Abhängigkeit massiv behindert wird (Art. 9 Abs. 3 GG) 
  • weil  sie per Definition ungleich behandelt werden bei gleicher Arbeit (Art.3 Abs.1 GG und Art.5 Abs. 3GG)

Wer sind die Lehrbeauftragten?

Die Lehrbeauftragten sind eine sehr heterogene Gruppe. Teilweise haben diese eine Festanstellung im Orchester oder sind bekannte Musikerpersönlichkeiten, die nicht auf das Honorar angewiesen sind. Doch in einem Sozialstaat wie in Deutschland geht es immer um den Schutz der Schwächsten, und diese sind die Selbstständigen und langjährig Lehrenden an den Musikhochschulen, die den Lehrauftrag als eine Haupteinnahmequelle haben.

Bisherige Bemühungen laufen ins Leere

Die bisherigen Bemühungen führten zu keiner deutlichen Verbesserung, was den Regelungsbedarf klar aufzeigt: Memorandi zum Umgang mit den Lehrenden haben keine rechtliche Bindung, eine gewerkschaftliche Wirkungsmacht fehlt aufgrund der EU-Regelungen zum Wettbewerbsrecht und durch den Föderalismus sowie der Hochschulautonomie herrscht ein Flickenteppich in den deutschen Musikhochschulen. Der Zukunftsvertrag, der die Lehre durch Bundesmittel verbessern soll, klammert in seiner Betrachtung die Lehrbeauftragten völlig aus.

Umfrageergebnisse der bklm

In der aktuellen Umfrage der BKLM mit mehr als 1000 Befragten wurde deutlich, dass die Hälfte der Lehrenden in der grundständigen Lehre wie Klavier, Theorie und Korrepetition tätig sind. Mehr als 60 % sind schon seit mehr als zehn Jahre im Lehrauftrag tätig. Für mehr als ein Drittel ist der Lehrauftrag die Haupteinnahmequelle.

Akuter Regelungsbedarf

Die Pandemie hat die prekären Bedingungen im Kulturbereich wie ein Brennglas verdeutlicht: viele freie Kulturschaffende können keine Rücklagen bilden, sei es für den Fall unvorhergesehener Ereignisse wie z.B. Krankheit noch für das Leben im Alter. Die Folge der sozialen Ausgrenzung ist deutlich spürbar: durch jahrelange Abhängigkeit im Lehrauftrag, ohne jegliche Zukunftsperspektive, noch eine angemessene Bezahlung, leben viele Kolleg*innen in der jetzigen Situation schon unterhalb des Mindestlohnniveaus, wie aus den Zahlen der Künstlersozialkasse ersichtlich ist.

Doch gerade die Expertise der Freischaffenden ist an den Musikhochschulen wichtig: ca. 80 % der Absolventen werden später keine Anstellung haben. Somit braucht eine Ausbildung in diesem Bereich die Erfahrung der selbstständigen Lehrbeauftragten.

Maßnahmen

Notwendigkeit: Leistung muss sich lohnen, das gebietet der Respekt vor unserer Kultur.
Um dem kulturellen gesamtgesellschaftlichen Bildungsauftrag der Musikhochschulen nachkommen zu können, benötigt es folgende Maßnahmen.

1. Überprüfung der Hochschulgesetzgebung auf Landes- und Bundesebene

Die rechtliche Sonderstellung des Lehrauftrags muss beendet werden, um einem Missbrauch vorzubeugen und dem im Koalitionsvertrag vereinbarten Ziel für eine diskriminierungsfreie Kulturpolitik nachzukommen. Zukunftsorientierte Rahmenbedingungen für Freie Berufe müssen gesetzt werden.

2. Honorarrichtlinien auf Bundesebene
Nur so können Kulturschaffende eine soziale Teilhabe an der Gesellschaft erlangen und die Hochschulen, als Träger des öffentlichen Rechts, kommen ihrer Fürsorgepflicht allen Lehrenden gegenüber nach.
So erreichen wir das im Koalitionsvertrag vereinbarte Ziel, Kunst und Kultur und ihre Vielfalt zu fördern und die soziale Lage von Künstler*innen zu verbessern.

3. 75 % der Lehre muss mit festangestelltem Personal gedeckt werden
Somit behalten die Hochschulen die Flexibilität im Lehrangebot, ohne ihre Hauptaufgabe an “Leiharbeiter” auszulagern.

 

Quelle: Webseite der bklm

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