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5. September 2024

USt-Reform: Schreiben an Bundestagsabgeordnete

Dieses Schreiben wurde von Verbandsseite an Berliner Bundestagsabgeordnete und Mitglieder des Finanzausschusses des Bundestags versandt und kann auch für eigene Zuschriften verwendet oder abgewandelt werden.

Sehr geehrte*r Bundestagsabgeordnete*r,

der Tonkünstlerverband Berlin ist die Interessenvertretung der Berliner Musiker*innen und Musikpädagog*innen. Ein Großteil unserer Mitglieder ist in der Lehre tätig – zumeist an öffentlichen und/oder privaten Musikschulen und/oder als soloselbstständige Lehrkräfte.

Derzeit verfolgen wir mit einiger Sorge die aktuellen Entwicklungen im Bereich der Umsatzsteuergesetzgebung. Wie Sie sicherlich wissen, ist gerade in Berlin der Anteil der freischaffenden und nicht an öffentlichen Einrichtungen tätigen Musiklehrkräfte besonders hoch. Mit dem Entwurf des Jahressteuergesetzes 2024, das in Kürze im Bundestag erörtert werden wird, könnten insbesondere soloselbstständigen und auf Honorarbasis an Musikschulen tätigen Musikpädagog*innen Verschlechterungen ihrer beruflichen Situation bevorstehen. Eine Petition, die sich dieser Problemlage widmet, hat bereits mehr als 58.000 Stimmen erhalten (Stand 05.09.2024).

Obwohl die EU-Mehrwertsteuersystemrichtlinie, mit der es das nationale Steuerrecht zu harmonisieren gilt, in Artikel 132 Buchstabe i eine umfassende Umsatzsteuerfreiheit für Unterricht, Ausbildungs- und Fortbildungsleistungen (und damit auch für jeglichen Musikunterricht) vorsieht, trägt der Gesetzesentwurf dem nicht vollständig Rechnung: Gemäß dem geänderten § 4 Abs. 21 kann, falls eine Unterrichtsdienstleistung nicht als berufsbildend, sondern als Fortbildungsleistung beurteilt wird und zudem das Kriterium der Gewinnerzielungsabsicht erfüllt, die Umsatzsteuerbefreiung entgegen der unionsrechtlichen Vorgaben verweigert werden. Selbstständige Arbeit muss aber grundsätzlich wirtschaftlich und existenzsichernd sein, ist also darauf angewiesen, systematisch Gewinn zu erzielen; und aufgrund dieser Eigenschaft könnte sie nach dem derzeitigen Gesetzesentwurf als umsatzsteuerpflichtig gelten. Das Genannte gilt insbesondere in Erwerbskontexten außerhalb öffentlich geförderter Institutionen – also in Berlin für den größten Teil des musikpädagogischen Sektors. Zudem steht zu befürchten, dass zukünftig Finanzbeamte und keine bildungspolitisch qualifizierten Prüfstellen über eine Umsatzsteuerbefreiung entscheiden werden.

Sollten freischaffende Musikpädagog*innen und/oder private Musikschulen künftig umsatzsteuerpflichtig werden (können), hätte dies massive Einschränkungen im musikalischen Bildungsangebot zur Folge. Die Steuerlast von 19 % würde an die Endverbraucher*innen, also Schüler*innen und deren Familien, weitergegeben werden müssen. Diese Mehrbelastung würden viele Familien nicht finanzieren können und ihre Kinder deshalb vom Musikunterricht abmelden müssen. Es drohen eine Verschärfung der Bildungsungerechtigkeit und für die betroffenen Lehrkräfte erhebliche Einbußen in einer ohnehin oftmals prekären Einkommenssituation.

Wir bitten Sie, sich als Bundestagsabgeordnete nachdrücklich für eine grundsätzliche Steuerfreiheit für Unterrichtsdienstleistungen einzusetzen, indem das Jahressteuergesetz in diesem Punkt modifiziert und eine klare und unbürokratische Regelung getroffen wird. Das bisherige Bescheinigungsverfahren kann für Musikunterricht, sofern der Definitionsrahmen für diese angemessen flexibel gestaltet wird, vollständig entfallen. Bitte ermöglichen Sie, dass für qualifizierte Ausbildungsleistungen, und damit auch für sämtlichen Musikunterricht, im Hinblick auf eine Umsatzsteuerpflicht Rechtssicherheit geschaffen wird – vor allem vor dem Hintergrund, dass die EU-Kommission zur Besteuerung von Privatunterricht bereits ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet hat.

Ergänzend verweisen wir auf die Positionierung der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbstständigenverbände, der unser Berufsverband angehört. Hier wird die Problemlage noch einmal detaillierter dargestellt.

Mit besten Grüßen und Dank für die Berücksichtigung dieser Zuschrift,
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